Interview

„Ein Stück eines riesigen Puzzles“

OCCRP-Direktor Paul Radu über die Arbeit im Geldwäsche-Netz

Geldwäsche20.3.2017 

DOSSIER: Wie begannen die Recherchen zur Russischen Waschmaschine?
Paul Radu: Alles begann mit einer anderen Geschichte. Wir recherchierten zu Offshore-Firmen und konnten Dokumente von Gerichtsprozessen in Moldawien einsehen. Darin sahen wir, dass die Firmen in Betrugsfälle involviert waren; dass diese Firmen oft nur auf dem Papier existierten; dass ihre tatsächlichen Eigentümer nur Strohmänner sind und Geld für organisiertes Verbrechen, zum Beispiel für Drogenkartelle aus Mexiko und Vietnam, gewaschen worden war. Nach und nach entdeckten wir ein Muster: Die Firmen, die wir in der einen Recherche entdeckt hatten, tauchten in anderen Fällen wieder auf. Schließlich bestätigten uns die moldawischen Behörden, dass sie selbst bereits ermittelten: Transaktionen über mehr als 19 Milliarden Euro liefen von Russland aus über moldawische Gerichte und osteuropäische Banken. Das System nennen wir die Russische Waschmaschine.

Woher stammt das Geld?
Ein Teil des Geldes lässt sich zu staatlichen russischen Auftragsvergaben zurückverfolgen. Bei einem anderen Teil handelt es sich um russische Firmen, die keine Steuern bezahlen wollten. Manchmal stammt es einfach aus betrügerischem Handeln, dann wieder steckt das organisierte Verbrechen dahinter. Manche der involvierten russischen Banken stehen in Geschäftsbeziehungen mit Igor Putin, dem Cousin des russischen Staatspräsidenten. In vielen Fällen konnten wir den Ursprung des Geldes aber nicht eruieren, weil auch dort Strohmänner sitzen. Viele Firmen, von denen Überweisungen ausgingen, gibt es nicht mehr. Sie wurden aufgelöst und Firmenunterlagen wie Bankaufzeichnungen zerstört. Da wird alles darangesetzt, die Spuren zu verwischen: Akten verbrennen, Akten vernichten.

Wer hat von diesen Transaktionen profitiert?
Wir konnten viele Personen identifizieren, die letztlich davon profitiert haben: zum Beispiel Veaceslav Platon, er war einer der Architekten des Systems. Einige der Firmen, die in der Russischen Waschmaschine auftauchen, wurden verwendet, um seiner Frau einen Bentley zu kaufen – eine vergleichsweise kleine Ausgabe, wenn man an die Dimension denkt. Ein anderes Beispiel ist Alexander Grigoriev. Quellen sagen uns, dass er für den russischen Geheimdienst FSB arbeiten soll. Der FSB hat das verneint. Grigoriev hat mit dem Geld jedenfalls ein Hotel in Montenegro gekauft. Die Menschen, die hinter dem System stehen, sind intelligent, und sie haben Ressourcen. Bisher konnten wir erst rund ein Viertel der Transaktionen, die durch diese Waschmaschine gingen, verfolgen.

OCCRP hat 2014 erstmals über die Russische Waschmaschine berichtet. Was ist seither passiert?
Eine der involvierten Banken, die Trasta Komercbanka in Lettland, verlor ihre Lizenz. Gegen einige der beteiligten moldawischen Richter wird ermittelt; manchen wurde bereits der Prozess gemacht. Auch vier Mitarbeiter der moldawischen Nationalbank wurden angeklagt, weil sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben sollen. Ein großes Problem ist aber, auch das berichten wir in diesen Tagen, dass die russischen Behörden nicht kooperativ sind. Als wir 2014 erstmals über die Russische Waschmaschine berichtet haben, sandte der FSB zwei Mitarbeiter in die moldawische Hauptstadt Chișinău. Sie versprachen den dortigen Behörden Unterstützung und baten um die Daten. Diese bekamen sie auch. Danach haben die moldawischen Behörden jedoch nie wieder etwas von ihnen gehört. Nicht nur das. Als Vertreter der moldawischen Behörden in Russland waren, um mit dem FSB zu reden, wurden sie im Kreis geschickt. Erst vor ein paar Tagen veröffentlichte das Parlament Moldawiens eine Presseaussendung, dass Abgeordnete bei der Einreise nach Russland Probleme bekämen – wegen der Ermittlungen zur Russischen Waschmaschine. Deswegen hoffe ich, dass durch die neuen Veröffentlichungen auch andere Länder Ermittlungen aufnehmen werden. Denn bisher kennen wir nur ein Stück eines riesigen Puzzles.

Über OCCRP

Das Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP)  ist eine investigativjournalistische Plattform mit Fokus auf Osteuropa und Russland. Es finanziert sich aus Spenden sowie Zuwendungen institutioneller Geldgeber, wie dem US-Außenministerium und Google. Seit Frühjahr 2016 ist DOSSIER Mitglied des OCCRP-Netzwerkes.

Über die Russische Waschmaschine 

Aus dem russischen Staatshaushalt abgezweigtes oder mit Drogen- und Waffenhandel verdientes Geld hinein, sauberes Geld hinaus – so funktioniert die Russische Waschmaschine. Mithilfe von moldawischen Gerichten wurden mehr als 19 Milliarden Euro legitimiert, in die Europäische Union geschleust und von dort in der ganzen Welt verteilt.